Leonhard Lechner (1553-1606)


L.Lechner
Das Geburtsjahr Leonhard Lechners kann nur annähernd aus verschiedenen Quellen errechnet und mit dem Jahr 1553 angegeben werden. Wegen des Beinamens „Athesinus“, den er in den Druckausgaben seiner Werke verwendete, liegt die Vermutung nahe, dass Lechner aus dem Etschtal oder jedenfalls aus dem Gebiet südlich des Brenners (heute Südtirol) stammt. Zum ersten Mal schriftlich erwähnt wird Leonhard Lechner 1570 in einer Zahlamtsrechnung des Bayrischen Hofes. Dort wird eine Abfindung von 10 Gulden angeführt, weil er als Sängerknabe entlassen wurde. Nachdem Herzog Albrecht beschlossen hatte, seine Hofkapelle in München zu vergrößern, wurden in den Jahren 1562 bis 1565 Beauftragte des bayrischen Hofes nach Italien geschickt, um Sänger für die Kapelle ausfindig zu machen. Vielleicht gelangte Lechner auf diesem Weg an den Münchner Hof. Jedenfalls finden wir ihn um 1563 in der unter Orlando di Lasso stehenden Hofkapelle.

1568 folgte er mit einem kleineren Teil der Musiker dem Thronfolger nach Landshut und wurde zwei Jahre später aus dem Dienst entlassen, wie oben erwähnte Zahlungsrechnung belegt. 1571 muss Lechner zum Protestantismus übergetreten sein. 1527 wurde in Altdorf die Reformation eingeführt und da in Kirchen und Schulen das „reine Wort“ gepredigt wurde, wurde auch Lechner nach den religiösen Vorschriften des Rats erteilt.
Was Lechner im Laufe der folgenden fünf Jahre unternommen hat ist ungewiss. In einer 1581 erschienenen Widmung schreibt er, „dass er weit und breit verschiedene Gegenden durchstreift habe“. Es wird angenommen, dass er sich auch in Italien aufgehalten hat, wo er sich neue satz-technische Errungenschaften aneignete, die er danach in seinen Kompositionen verwendete. Der Italienaufenthalt ist jedoch nirgends belegt. Spätestens seit 1575 muss sich Lechner in Nürnberg niedergelassen haben, wo in diesem Jahr seine Sammlung „Motectae sacrae“ erschienen ist. Dabei handelt es sich um die erste Ausgabe seiner Werke. 1576 tritt Lechner die Stelle des „Schulkollaborateurs“ an der Schule von St. Lorenz an. Am 8. Oktober 1576 heiratet er Dorothea, die Tochter des Gewandschneiders Franz Lederer und Witwe des 1573 gestorbenen Stadtpfeifers Friedrich Kast. Wie aus dem Taufbuch von St. Lorenz hervorgeht, wurde Ende des Jahres 1578 – die Taufe fand am 1. Januar 1579 statt – der gemeinsame Sohn Gabriel geboren.
Lechner konnte sich im städtischen Leben schnell etablieren. er war eng mit den verschiedenen Musikgesellschaften verbunden; seine Kompositionen erschienen rasch hintereinander und enthielten zahlreiche Widmungen, außerdem pflegte er Freudschaften zu Patriziern, wie dem Humanisten P. Schede und dem Goldschmied Paul Dulner.
Schede und Dulner standen ihm als Ratgeber und Textdichter zur Seite. Er erhielt Betätigungen in von Patriziern gegründeten privaten musikalischen Zirkeln, Sodalicium musicum genannt. Lechner konnte aber dennoch nur eine untergeordnete Stellung erlangen. Obwohl der Stadtrat versuchte, ihn in Nürnberg zu halten, indem er ihm 1577 sein Gehalt aufbesserte („Weil er solch ein gewaltiger Componist und Musicus“, Ratsprotokoll vom 26. Juli 1577) und ihm 1582 den Titel „archimusicus“ verlieh, wollte er spätestens ab 1579 weg von Nürnberg. Dies ist belegt durch ein Empfehlungsschreiben Orlando di Lassos für die Stelle des Hofkapellmeisters am Dresdner Hof und durch eine Widmung an Fürst Joachim Ernst von Anhalt auf einer kleineren Komposition aus dem Jahre 1582.
Lechner bewarb sich am Hof der Hohenzollern in Hechingen und wurde 1584 von Fürst Eitelfriedrich IV. von Hohenzollern-Hechingen angestellt.
Unter seiner Leitung stand eine kleine, aber leistungsstarke Musikerschar. Schon nach gut einem Jahr beschloss Lechner jedoch sein Amt niederzulegen, um sich um einen Posten am Dresdner Hof zu bewerben, wofür er bereits ein Empfehlungsschreiben von Orlandi di Lasso und eines von Herzog Wilhelm V. vorweisen konnte. 1585 verließ Lechner ohne offizielle Entlassung eigenmächtig den Hof. Als ihn der Graf aufforderte, zurückzukommen, widersetzte er sich hartnäckig. Die Ursache für den Streit zwischen dem Komponisten und dem Grafen ist nicht bekannt, konfessionelle Differenzen – wie mancherorts erwähnt – können aber kaum der Grund dafür sein. Der Graf vereitelte in Folge Lechners geplante persönliche Vorstellung am Dresdner Hof, und schließlich wurde seine Bewerbung dort abgelehnt.
1585 reiste der Musiker unter dem Schutz von Herzog Ludwig von Württemberg nach Backnang. Ab dem 1. August 1585 fand er Anstellung als Tenorist (Musicus) in der Stuttgarter Hofkapelle. 1589 stieg er zum Hofkomponisten auf und 1594 zum Hofkapellmeister; diese Stelle übernahm er von Ludwig Daser. Zu seinen Aufgaben zählten nun die Ausbildung der Kapellknaben, die Erweiterung und Betreuung des Notenbestandes, sowie das Betreuen des vokal-instrumental gemischten Musizierens. Am Hof von Herzog Ludwig erlebte Lechner eine glanzvolle Zeit. In seinen letzten Lebensjahren musste er sich aber auf Grund von Krankheiten, die er zwischen 1587 und 1604 mit Bäderkuren zu heilen versuchte, bei Aufführungen wohl öfter vertreten lassen. Er starb am 9. September 1606 in Stuttgart und wurde zwei Tage später in der Oberen Kirche St. Katharina (heute Spitalskirche) nahe dem Altar beigesetzt. 1607 erwarb Herzog Friedrich von Lechners Sohn seinen handschriftlichen musikalischen Nachlass. Ein Großteil der Noten, die Leonhard Lechner besessen haben muss, ist jedoch verloren gegangen.

 

Mag. Judith Oberhuber